Hutzelsonntag

In der Rhön  (Mittelgebirge im Dreiländereck Bayern-Hessen-Thüringen) und in der angrenzenden Region ist traditionell  am ersten Sonntag in der Fastenzeit  ‘Hutzelsonntag’.  Für die Menschen in den vergangen Jahrhunderten war der Winter die schlimmste Jahreszeit, denn es gab wenig zu essen und kaum Möglichkeiten zu heizen. Nach Einbruch der Dunkelheit  wird ein großes Feuer entzündet welches den verhassten Winter endlich verscheuchen soll. 

Es ist ein schöner Anblick, wenn in allen umliegenden Dörfern die ‘Hutzelfeuer’ lodern. Die Kinder laufen mit Fackeln umher und zündeln ein bisschen. Alle wärmen sich am Feuer und trinken heißen Glühwein oder Saft gegen die Kälte.

Tags vorher sammeln die Mitglieder der Jugendfeuerwehr, also auch unsere beiden jüngeren Söhne,   alte Christbäume, Hecken- und Baumschnitt sowie anderes unbehandeltes Holz im ganzen Dorf ein und türmen dieses auf einer Anhöhe zu einem großen Haufen auf. 

Am ‘Hutzelsonntag’ gegen Mittag ziehen die Jugendlichen in Grüppchen von Haus zu Haus und singen das ‘Hutzellied’, sie bekommen dann für ihre Mühen ein bisschen Geld, Süßigkeiten und eigens gebackene ‘Hutzelkräppel’ als Lohn. 


kleine, evtl. mit Marmelade gefüllte  Kräppel / Krapfen / Berliner Pfannkuchen  aus Hefe- oder Quarktei
Ursprünglich wurden die Kinder mit   ‘Hutzeln’, also Dörrobst,  Zwetschgen, Birnen und Äpfel (Aprikosen waren in alten Zeiten sicher nicht dabei), belohnt. Aus dieser Tradition entstanden dann auch die Begriffe: ‘Hutzelfeuer’, ‘Hutzelsonntag’, ‘Hutzeljungen’ und ‘Hutzellied’.

Großes Gelächter gibt es jedes Mal beim singen, denn das Hutzellied “muss” in einem alten Rhöner Dialekt gesungen werden, nahezu jedes Dorf hat seine eigene Liedvariante. Es wird seit Generationen mündlich überliefert, einige Mitglieder der Jungendfeuerwehr hier im Dorf haben es einmal in Lautsprache aufgeschrieben:

Hutzelstiehle, Hutzelstiehle,
macht mei Feuer in de Ofe,
stosst mei net di Kachel i,
sonst rocht’s mei in de Stube.
 
„Silges, Koalraabes, mit Hutzelbree geschmalzt, 
un bann ei ons kei Hutzel gatt,
so soll de Baum kei Bern mee troa.


Drobe im Ferscht, do hänge dee lange Werscht,
do gatt er ons dee lange, dee kurze lost er hange.


Schessel hi, Schessel ha,
Kräppel muss gegasse war,
Gaald muss i’genomme war.

Oh du großer König,
gib uns nicht zu wenig,
lass uns nicht zu lange steh’n,
denn wir wollen weiter zieh’n.
Kohlrübe / Steckrübe

Für uns als Zugezogene klingt es  wie eine Sprache aus einem fernen Land, nur ganz wenige Leute sprechen heute noch diesen Dialekt, verstanden wird er von den Einheimischen aber überall. Mein dritter Sohn und ich haben einmal versucht den Text in eine halbwegs verständliche Sprache zu bringen.

 

Übersetzung:Hutzeljungen, Hutzeljungen, 
macht mir bitte Feuer im Ofen,
zerstosst die  (Ofen-) Kacheln nicht
sonst raucht es in meiner Stube (Zimmer)
 
Geselchtes, Kohlrüben mit Hutzelbrühe geschmälzt
  = Geräuchertes Fleisch, Steckrüben mit Dörrobstbrühe übergossen

und wenn ihr uns keine Hutzeln  gebt,
so soll der Baum keine Birnen mehr tragen. 


Oben im Dachfirst, da hängen die Würste,
da gebt ihr uns die Langen, die Kurzen lasst ihr hängen.

Schüssel hin, Schüssel her,
Kräppel  müssen gegessen werden
Geld muß eingenommen werden

 

Ob der alte Brauch den Winter, die Kälte und das Grau vertrieben hat, wird sich in den nächsten Tagen sicherlich zeigen.
 

___________________________________________________________

____

Danke für dein Interesse. Ich freue mich über jeden Kommentar.

12 thoughts on “Hutzelsonntag

  1. Flottelottablau

    Oh, diese Tradition finde ich wirklich wunderbar! Und ich überlege, ob ich nicht heute Abend alle Nachbarn zusammen trommle und mit ihnen ein großes Feuer veranstalte, damit der Winter nicht, wie vorausgesagt, morgen mit Schnee zurückkehrt…LG Lotta.

  2. Die Raumfee

    Oh ja bitte! Ich hoffe, sie sind erfolgreich, denn ich hab das Frieren so satt. Seit 5 Monaten ist mir jetzt schon kalt und ich kriege die Gänsehaut nicht mehr los. Was würde ich mich freuen, endlich wieder nicht zu frieren am Schreibtisch. Schwitzen nehme ich dafür gerne.
    Eine tolle Tradition, danke für die Beschreibung!

    Lieber Gruß,
    Katja

  3. mme ulma

    das klingt nach einem schönen brauch. ich hoffe, seine wirkung reicht weit, am besten bis graz. und ich sage ab jetzt ‘hutzeln’ zum dörrobst, das gefällt mir.
    liebe grüße °°°u.

  4. Rügenfrau

    Schön, wenn solche Traditionen weiter gepflegt werden. Ob man auch ne Woche später so ein kleines Hutzelfeuer im Garten machen kann? Die Äste vom Weihnachtsbaum geb ich dafür her, der Stamm wird noch verbastelt.

    Nen lieben Gruß von Antje

  5. Bodenseewellen

    Eine ganz tolle Tradition finde ich! Und deine Fotos sind beeindruckend! Lustig, ich kannte Hutzeln als Zapfen. Hier gibt es das Fastenfunken.
    Danke für deine lieben Wünsche und Kommentare!
    Liebe Grüße, Gina

  6. kaze

    In so kleinen Gemeinden werden ganz putzige Sachen aufgehoben, was bei den Grosßtädtern ganz und gar verloren geht.Danke fürs Erzählen.
    LG Karen

  7. Pingback: Peterson und Findus | Judika

  8. Pingback: Märchenhaft blauer Himmel am Hutzelsonntag | Judika

  9. Pingback: Mariä Lichtmess | Judika

Schreibe einen Kommentar

Kommentare beflügeln mich und zeigen mir die Wertschätzung meiner Leser.

Ich behalte mir vor anonyme Kommentare zu löschen.

Die Angabe von E-Mail-Adresse und Wesite ist freiwillig und fürs Kommentieren nicht notwendig, beides wird nicht veröffentlicht.

Nutzer des Kommentarfelds erklären sich mit der Speicherung und Verarbeitung ihrer Daten durch diese Website einverstanden.